Spiegelt Journalismus affektiv polarisierte Onlinenetzwerke?
Eine vergleichende Analyse des Diskurses über die Klimaprotestbewegung „Letzte Generation" in (Sozialen) Medien
Während die Wissenschaft die Notwendigkeit des Handelns angesichts der Klimakrise betont, kommen die politischen Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels zu langsam voran. Infolgedessen wurden in den letzten Jahren zahlreiche Klimaprotestbewegungen gegründet – von Fridays-for-Future, über Ende Gelände bis Extinction Rebellion. Eine davon stach jedoch in der jüngsten deutschen Medienberichterstattung besonders hervor. In unserem Forschungsprojekt widmen wir uns dem Diskurs über die Klimaprotestgruppe „Die Letzte Generation”, die besonders im Jahr 2022 begann, mit ihrer disruptiven Form des Protests erfolgreich (mediale) Aufmerksamkeit zu generieren. Zu Protestaktionen der „Letzten Generation” zählen unter anderem das Festkleben von Aktivist:innen auf Straßen oder das Bewerfen der Glasscheiben berühmter Kunstwerke mit Essen oder Farbe. Auch andere Aktionen wie das Boykottieren fossiler Infrastruktur übt die Klimaprotestgruppe aus, um auf ihre politischen Forderungen aufmerksam zu machen. Diese Aktionen scheinen dabei im öffentlichen Diskurs oftmals als polarisiert oder polarisierend beschrieben zu werden.
Trotz kontinuierlicher öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit und einem kontroversen öffentlichen Diskurs gibt es bislang wenige Forschungsprojekte, die sich systematisch der Frage annähern, inwiefern die Debatte um die „Letzte Generation” polarisiert ist. Unser Projekt versucht, diese Frage aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive zu erschließen. Dafür sollen der deutschsprachige Twitter-Diskurs sowie die Medienberichterstattung zur “Letzten Generation” vergleichend analysiert werden, um herauszufinden, inwiefern die Struktur und Inhalte jener Diskurse (affektiv) polarisiert sind.
Ebenso sollen medien- und plattformübergreifende Zusammenhänge zwischen der Twitter- und der Nachrichtendebatte über die „Letzte Generation” identifiziert werden. Dieses Projekt zielt somit auf Fragen gesellschaftlicher Aushandlungsfähigkeit und Deliberation ab: Wird Berichterstattung von vermeintlich polarisierten Onlinedebatten getrieben? Gelingt es Journalist:innen, eigene thematische und inhaltliche Akzente zu setzen? Sorgen vermeintlich polarisierende Protestbewegungen für eine Art „ansteckender“, plattformübergreifender Medienaufmerksamkeit? Und führt das schlussendlich zu einem produktiven Diskurs über eine notwendige ökologische Transformation oder lediglich zu einer emotionalisierten, inhaltsleeren und identitätsbasierten Debatte in Journalismus und Sozialen Medien?
Datengetriebener Forschungsansatz
Das Projekt adressiert die Herausforderung eines polarisierten Diskurses in den deutschsprachigen Sozialen Medien und Nachrichten. Um diesen zu analysieren, setzen wir auf einen Lösungsansatz, der Netzwerkanalysen mit manueller und automatisierter Inhaltsanalyse kombiniert. Unser datengetriebener Ansatz zielt darauf ab, den Online Diskurs zu untersuchen und zu verstehen, wer in diesem zu Wort kommt und welche Frames verwendet werden (Wie wird über „Die Letzte Generation” gesprochen?). Durch die Kombination von Social Media- und Nachrichtendiskurs-Analysen wählen wir einen innovativen und cross-medialen Forschungsansatz, der zu diesem Fragenkomplex – zumindest nach unserem Wissen – so noch nicht durchgeführt wurde.
In einem ersten Schritt untersuchen wir unseren generierten Twitter-Datensatz, bestehend aus 1.444.428 Tweets erhoben im gesamten Jahr 2022 mithilfe automatisiert-gestützter qualitativer Inhaltsanalysen nach den wichtigsten Frames. Diese sollen in einem nächsten Schritt genutzt werden, um einen algorithmischen Transformer-basierten Classifier zu bauen, der in der Lage sein wird, Frames zur „Letzten Generation” automatisiert zu erkennen. Mithilfe dieses Classifiers werden wir dann überprüfen, inwiefern sich Frames auf Twitter und in der Medienberichterstattung widerspiegeln.
Dieses Projekt ist angegliedert an ein Forschungsvorhaben am The New Institute Hamburg, welches sich mit der Polarisierung von Nachhaltigkeits- und Klimadebatten auseinandersetzt. So hoffen wir – sowie durch Informations-/Workshop-/Outreach-Veranstaltungen mit journalistischen und (zivil-)gesellschaftlichen Organisationen – die generierten Erkenntnisse auch einer breiteren Öffentlichkeit sichtbar zu machen.
Studierendenprojekt: Spiegelt Journalismus affektiv polarisierte Onlinenetzwerke? Eine vergleichende Analyse des Diskurses über die Klimaprotestbewegung „Letzte Generation" in (Sozialen) Medien
Förderzeitraum: 01.04.2023 – 31.03.2024 (12 Monate)
Studierende: Louisa Pröschel, Alexandra Herdt, Gesche Gertz
Mentor: Hendrik Meyer