Route durch Mexiko: Soziokulturelle Auswirkungen der (Transit)-migration in Mexiko
Migration war schon immer ein Motor der Menschheitsgeschichte dennoch hat das Phänomen weltweit im letzten Jahrhundert eine neue Qualität und Größenordnung angenommen. Wenn es um Migrationsbewegungen auf dem amerikanischen Kontinent geht, ist Mexiko ein Land von zentraler Bedeutung, nicht nur in Bezug auf die USA. Mexiko ist nicht nur das Herkunftsland vieler Einwanderer, sondern auch das Transit- oder Zielland für viele Menschen verschiedener Identitäten und Nationalitäten. Somit sind allgemeingültige Aussagen zum Thema Migration in Mexiko schwer zu treffen und es bedarf einer detaillierten Ausarbeitung verschiedener Formen und Auswirkungen von Migration im Land.
Unser Projekt hat das Ziel genau diese Diversität aufzuzeigen. Dabei wird die Forschungsgruppe interdisziplinär an verschieden Unterthemen arbeiten, um möglichst viele unterschiedliche Facetten des Migrationsphänomens, Formen der Migration im Land und deren Auswirkungen auf das Land zu beleuchten. Für unsere Feldforschung suchen wir vor Ort zum einen den Kontakt zu örtlichen Institutionen wie Universitäten, NGOs, Albergues (Unterkünfte für Migrierende) und auch zu Migrierenden selbst. Die Themen nach dem jeweiligen Interesse und der Fachrichtung unserer Gruppenmitglieder sind wie folgt aufgeteilt:
1. Die mexikanische Berichterstattung zu (Transit-)Migration und Migrierenden (Alix Bielefeld & Hendrik Heiermann)
Wissenschaftliche Medieninhaltsanalysen zur mexikanischen Berichterstattung in Bezug auf Migration im Allgemeinen oder auf einzelne Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte (zB. der „Karawanen“ mittelamerikanischer Transitflüchtlinge ab 2018) zeigen, dass besonders Massenmedien die öffentliche Meinung und die gesellschaftliche Stimmung gegenüber dieser Personengruppe stark beeinflussen. Hierbei gibt es oft bestimmte Erzählmuster (sogenannte „Frames“) mithilfe denen über (Transit-)migrierende und Migrationsbewegungen berichtet wird und die von Forscher*innen herausgearbeitet und analysiert wurden. Aufbauend auf dieser Forschung wollen wir herausfinden, wie von unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Berichterstattung geblickt wird. Durch Befragungen von Journalisten und Medienforschern auf der einen, aber auch von Menschen die jeden Tag (zb. in Herbergen oder NGO’s) mit Migrierenden zusammenarbeiten, auf der anderen Seite, wollen wir dazu ein exploratives Stimmungsbild einholen.
2. Die Handlungsfähigkeit von Migrantinnen in Mexiko (Stephanie Gutiérrez Rangel)
Häufig herrscht die Vorstellung vor, Migration sei ein ausschließlich männliches Phänomen, welches Frauen und Kinder als Abhängige und unfreiwillige Begleitung von männlichen Migrationsakteuren charakterisiert und ausschließlich als Opfer dargestellt. Bis in das späte 20. Jahrhundert wurde die Anerkennung von Frauen in Migrationsstudien vernachlässigt. Erst ab den 90er Jahren, mit dem Einfluss von geschlechts- und feministischen Perspektiven, begann eine Dekonstruktion hegemonischer Diskurse und Interpretationen, was zu relevanten konzeptionellen und methodischen Fortschritten führte. In diesem Rahmen zielt dieser Teil der Forschung darauf ab, die Charakterisierung von Frauen sowie weiblich gelesene Personen als Abhängige und Opfer der Migration zu hinterfragen und dieses Bild mit einer Perspektive von "aktiven Akteuren" zu konfrontieren, die ihre Handlungsfähigkeit in den Vordergrund stellt. Dies dient der Beantwortung der Forschungsfrage: wie äußert (oder zeigt) sich die Handlungsfähigkeit von Migrantinnen in Mexiko unter Einbeziehung ihrer Differenzen, Kapitalformen und in der Gestaltung des kollektiven Handelns?
3. Nord-Süd-Migration nach Mexiko (Laura Marcela Orjuela Orjuela)
Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts liegt auf der (meist) Nord-Süd-Migration der „digitalen Nomaden“. Durch die Covid-19-Pandemie, die Flexibilisierung der Arbeit und die zunehmende Nutzung des Internets haben viele Menschen beschlossen, ihre Herkunftsorte und herkömmliche Bürojobs zu verlassen, um in andere Länder zu migrieren und von dort aus remote zu arbeiten. Mexiko ist das laut Umfragen von „Internations.org“ weltweit beliebteste Zielland von Expats und auch sehr beliebt unter digitalen Nomaden. Das Land hat sich dadurch zu einem Gastland entwickelt und einen sozialen Wandel erfahren. Um das Thema eingehender zu untersuchen und die akademische Forschung auf diesem Gebiet zu erweitern, ist es von grundlegender Bedeutung, die zentralen soziodemografischen Merkmale der digitalen Nomaden umfassend zu untersuchen. Hierbei sollen sowohl ihre Interaktionen untereinander als auch ihr Zusammenleben in physischen und virtuellen Umgebungen analysiert werden. Die im Rahmen dieser Untersuchung gesammelten Daten und Ergebnisse werden in eine künftige Masterarbeit einfließen.
4. Linguistische Veränderungen durch Migration: Judenspanisch in Mexiko (Lars Hafke)
In diesem Teil des Projekts wird die Frage behandelt inwieweit die sephardischen Juden das Judenspanische/ Ladino in ihren Migrationsprozess nach Mexiko erhalten haben und wie sich dieses verändert hat. Judenspanisch basiert hauptsächlich auf dem Altspanischen und wird heute eher noch von der älteren Generation in der jüdischen Diaspora, z.B. in Bulgarien gesprochen, nachdem die Juden aus Spanien vertrieben wurden. Jedoch gab es auch eine kleinere Migrationswelle nach Lateinamerika, so auch Mexiko. Bei unserem Forschungsaufenthalt möchte ich nun in Gespräch mit verschiedenen Instituten und Universitäten treten, um mehr über die heutige Präsenz der Sprache und die Veränderung oder auch Beibehaltung des Judenspanischen zu erfahren.
Studentische Forschungsgruppe:
Alix Bielefeld (2. Fachsemester MA-Lateinamerikastudien)
Hendrik Heiermann (2. Fachsemester MA-Lateinamerikastudien)
Stephanie Gutiérrez Rangel (2. Fachsemester MA-Lateinamerikastudien)
Laura Marcela Orjuela Orjuela (2. Fachsemester MA-Lateinamerikastudien)
Lars Malte Hafke (5. Fachsemester BA-Spanisch)
Mentor:innen:
Prof. Dr. Inke Gunia
Dr. Gilberto Rescher