Die Rolle des Neuropeptids Vgf in Multipler Sklerose
Als häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS) betrifft die Multiple Sklerose (MS) mehr als zwei Millionen Menschen weltweit. Der fortwährende Verlust von Nervenzellen, der mit einer zunehmenden Behinderung einhergeht, basiert auf der Einwanderung autoreaktiver T-Lymphozyten in das ZNS. Anhand des klinischen Verlaufs lassen sich unterschiedliche Subformen der MS differenzieren: Den größten Anteil (85%) macht die schubförmig-remittierende MS (RRMS) aus – wiederkehrend akute Symptomen sind dabei jedoch vollständig rückläufig. Bei 50% dieser Patienten geht die RRMS in eine sekundär-progrediente Form über (SPMS) mit stetiger Symptomprogredienz über. Außerdem ist ein geringer Anteil der MS Patienten (15%) von Anfang an von einer chronischen Progredienz betroffen (PPMS).
Eingeschränkte Prognosemöglichkeiten
Trotz guter Untersuchungsmethoden wie z. B. der Magnetresonanztomographie (MRT), gibt es derzeit noch keine Möglichkeit, eine Erkrankung vorherzusagen oder im Verlauf die zukünftige Progression einzuschätzen. Ob die körperliche oder kognitive Einschränkung eines Patienten in den nächsten Jahren zunimmt oder konstant bleibt, lässt sich mit den heutigen diagnostischen Mitteln nur eingeschränkt beurteilen. Um dieser belastenden Ungewissheit für Patienten und ihr soziales Umfeld entgegenzutreten, werden dringend Biomarker benötigt, welche die Progression einer Erkrankung widerspiegeln oder vorsagen können. Neuropeptide, die lokal im Nervensystem produziert werden, haben als Biomarker für neurologische Erkrankungen ein großes Potential.
Neuropeptid mit Vorhersagepotenzial
Das Neuropeptid Vgf und seine Spaltprodukte, sind solche vielversprechende Biomarkerkandidaten. Die Spaltprodukte werden intrazellulär im ZNS gebildet und anschließend in das umgebende Gewebe und ins Blut sezerniert. In unterschiedlichen neurologischen Erkrankungen konnte bereits eine veränderte Konzentration von Vgf im Serum nachgewiesen werden. Dies deutet auf eine dynamische Anpassung von Vgf bei neuronalem Schaden hin. Trotz dieser vielversprechenden Merkmale Vgfs als diagnostisches Mittel, wurde das Neuropeptid bisher noch nicht im Kontext der MS untersucht. Sowohl bei der experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE), einem etablierten Mausmodell der Multiplen Sklerose, als auch bei bestimmten Subformen der MS konnten wir bereits in eignen ersten Versuchen eine veränderte Produktion von Vgf beobachten. Diese bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Vgf Peptide als potenzielle Biomarker für die MS dienen können. Ziel unseres Forschungsvorhabens ist, Vgf als Biomarker für die Krankheitsprogression in MS zu etablieren. Hierfür planen wir einerseits das Spektrum an Messzeitpunkten zu erweitern, um die Dynamik des Vgf Profils in verschiedenen Krankheitsstadien detaillierter darstellen zu können. Außerdem werden wir die Messung der Vgf Peptide im Serum auf eine größere Patientenkohorte erweitern und somit belastbare Ergebnisse für die klinische Translation zu generieren. Wir planen in die Analyse der Serumproben von MS Patienten weitere Stadien bzw. Subformen einschließen. Um so einen genaueren Einblick in die Mechanismen zu gewinnen, die Einfluss auf die dynamische Veränderung der Vgf Konzentration im Serum haben.
Weniger Ungewissheit für Betroffene
Multiple Sklerose ist die häufigste nicht-traumatische Ursache für neurologische Behinderung im jungen Erwachsenenalter. Die individuellen Krankheitsverläufe variieren von langen asymptomatischen Phasen bis hin zu schnell fortschreitender schwerer Behinderung und sind nach wie vor nicht vorhersehbar. Ein besserer Einblick in die individuelle Krankheitsprogression könnte eine angepasste Behandlungsstrategie ermöglichen und den Patienten so einen Teil der Ungewissheit nehmen. Das Neuropeptid Vgf ist ein vielversprechender Kandidat auf der der Suche nach einem Biomarker, welcher die Krankheitsaktivität widerspiegelt und eventuell sogar vorhersagen könnte.
Studentische Forschungsgruppe
- Lukas Can Bal
- Hannah Maria Hagemeyer
Mentor
- Prof. Dr. med. Manuel A. Friese