Eine Diskursanalyse der sich wandelnden Altersvorsorge mit Fokus auf Kapitaldeckung
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Wie wird über finanzielle Altersvorsorge gesprochen? Das ist die Grundfrage unseres Forschungsprojektes. Konkreter ist das Thema der Diskurs um die Finanzierung von Personen nach ihrer Zeit der Erwerbstätigkeit in den öffentlichen Medien. Unter der Fragestellung „Wie wurde die Altersvorsorge in den letzten zehn Jahren diskursiv verhandelt und welche Bedeutung kommt der Kapitaldeckung in diesem Diskurs zu?“ werden wir Wochen- und Tageszeitungen durchsuchen und mit einem mixed methods Verfahren die dortige Verhandlung analysieren.
Hintergrund unserer Fragestellung ist der Wandel der Altersvorsorge von der gesetzlichen, umlagefinanzierten hin zur privaten kapitalgedeckten Vorsorge innerhalb der letzten 30 Jahre. In den 80er-Jahren sicherte die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) noch 70 Prozent des Nettoverdienstes zu, seitdem ist das Sicherungsniveau auf 43 Prozent gefallen, u. a. dadurch steigt das Risiko der Altersarmut. Der entsprechende Trend der „Stärkung kapitalgedeckter Elemente in der zweiten und dritten Säule der Alterssicherung und der Aufgabe der Lebensstandardsicherung als Ziel der gesetzlichen Rentenversicherung“ wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung als Paradigmenwechsel bezeichnet. Politisch manifestiert wurde die Annahme, dass die GRV nicht mehr Lebensstandardssicherung sein wird, Anfang des Jahrtausends in der Riester Rente bzw. dem Altersvermögensgesetz (AVmG) und Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG). Doch nicht nur kann die GRV die Rente nicht mehr in dem Maße wie früher finanzieren, auch ihre Finanzierung ist laut politischer Erzählung in Zukunft nicht mehr rein umlagefinanziert möglich; eine Kapitaldeckung ist ein Lösungsvorschlag. Sichtbar geworden ist diese Annahme insbesondere mit dem Einbringen des Generationenkapitals als Reaktion auf die Unzulänglichkeit der umlagefinanzierten GRV. Wegen dieser Entwicklung wird eigenverantwortliches Handeln von Privatpersonen in der Altersvorsorge immer relevanter. Da für ein solches Handeln Informationen notwendig sind, die wiederum durch Medien weitergegeben werden, betrachten wir den öffentlichen Diskurs zum Thema Altersvorsorge. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf die Bedeutung der Kapitaldeckung.
Dementsprechend werden wir diskursanalytisch vorgehen. Basis der Analyse bilden deutsche Wochen- und Tageszeitungen, da diese den öffentlichen Diskurs abbilden (z. B. taz, Welt Online, Die Zeit, Der Tagesspiegel, Der Spiegel, Die Bild). Wir können jedoch nicht alle Artikel, in denen es um Rente bzw. Altersvorsorge geht, im Sinne des close reading untersuchen, weshalb wir die Methode des blended reading anwenden werden. Diese ergänzt die klassische Diskursanalyse und Hermeneutik um Text-Mining Verfahren. Um noch größere Datenmengen verarbeiten zu können, kooperieren wir mit dem House of Computing and Data Science (HCDS) und nutzen die von ihnen entwickelte D-WISE Tool Suite. Diese macht es möglich, manuell codierte Kategorien durch maschinelles Lernen auf große Datenmengen anzuwenden, ohne dass die Texte wie beim klassischen close reading selbst gelesen werden müssen. Analysiert wird das gewonnene Material zunächst mithilfe einer Velaufsmusteranalyse, bei der die Zeitlichkeit in der Datenanalyse berücksichtigt wird. Anschließend werden wir eine wissenssoziologische Diskursanalyse nach Reiner Keller (2011) durchführen. Damit verbinden wir in der Analyse klassische quantitative Ansätze wie das Text-Mining und dem sonst meist qualitativen Forschungsansatz der Diskursanalyse.
Refrenzen
Keller, R. (2011). Wissenssoziologische Diskursanalyse – Grundlegung eines Forschungsprogramms. Springer Fachmedien Wiesbaden. DOI: 10.1007/978-3-531-92058-0.
Studierendenprojekt: Eine Diskursanalyse der sich wandelnden Altersvorsorge mit Fokus auf Kapitaldeckung
Förderzeitraum: 01.10.2023 - 31.03.2024 (6 Monate)
Studierende: Lea-Salome Neserke, Yannick Walter, Sonja Wernicke
Mentorin: Prof. Dr. Marianne Saam