#IchBinArmutsbetroffen – Thematisierung eigener Armutsbetroffenheit in der Öffentlichkeit
„Ich bin Armutsbetroffen“. So formulieren es seit Mitte Mai 2022 viele Nutzer*innen in den sozialen Medien, insbesondere bei Twitter. Sie beschreiben unter diesem Titel ihre eigene Armutsbetroffenheit, ihre Erfahrungen und welche Bedeutungen diese für sie haben. Während Armut ansonsten häufig wenig sichtbar für die Öffentlichkeit ist und von den Betroffenen nicht selten auch versteckt wird, treten hier Menschen in die Öffentlichkeit und beschreiben ihre Armutsbetroffenheit.
Aus der Perspektive sozialpädagogischer Forschung erscheinen diese öffentlichen Stellungnahmen aus gleich mehreren Perspektiven interessant: Die Schreibenden schildern in ihren Tweets ihre eigene Armutsbetroffenheit und welche Bedeutung diese für sie subjektiv hat. Aus einer subjekttheoretischen Perspektive gesprochen lässt sich formulieren, dass sie in den kurzen Beiträgen eine beschreibende Relationierung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie leben, sowie zu sich selbst und zu anderen vornehmen. Die Veröffentlichungen können als Formen der Teilhabe an einer öffentlichen Debatte und damit im Kontext politischer Teilhabe interpretiert werden.
Wir wollen uns wissenschaftlich mit den Beschreibungen und Geschichten aus dem Alltag von armutsbetroffenen Menschen befassen. Uns geht es weniger um die quantitative Dimension von Armut – wie sie in den etablierten Armutsstudien im Fokus steht –, sondern explizit darum, die subjektive Bedeutung der Armutsbetroffenheit nachzuvollziehen. Dabei rücken wir die subjektiven Beschreibungen der Armutsbetroffenheit in das Zentrum. Insbesondere interessieren wir uns für die Thematisierungen von alltäglichen Armutserfahrungen als Unrechtserfahrungen. Wie wird in sozialen Medien über Armut gesprochen und wie setzen sich Subjekte unter der Bedingung von Armut zu sich selbst und zur Welt ins Verhältnis? Aus der Perspektive der Sozialpädagogik ist es zudem besonders interessant, Thematisierungen von Hilfe zu betrachten und nachzuvollziehen, wie diese das Subjekt ins Verhältnis zu Hilfe(-systemen) stellt.
Aus unseren Erkenntnissen wollen wir einen Fachbeitrag zum sozialpädagogischen Diskurs über Armut und Subjektivität leisten.
Studentische Forschungsgruppe
Helen Dambach
Mats Pachalli
Mentor
Prof. Dr. Holger Schoneville