Ein Schuldenaudit für Hamburg
Vor dem Hauptgebäude der Universität wurde 2011 auf Initiative von Aktiven aus der Studierendenschaft eine Schulden- und Vermögensuhr eingeweiht. Anders als die Schuldenuhr, die 1995 vom Bund der Steuerzahler vor dem Bundesfinanzministerium errichtet wurde, zeigt sie nicht nur die Entwicklung des Schuldenstands (der Stadt Hamburg), sondern sie stellt diese Zahl der Entwicklung des Vermögens der reichsten 10 Prozent der Hamburger*innen gegenüber. Sie verweist damit auf einen schlichten und doch bedeutsamen Zusammenhang: alle Schulden (ob staatlich oder privat) stehen zugleich einem Vermögen gegenüber. Bei der Frage der Staatsverschuldung handelt es sich demnach immer zuallererst um eine politische Frage.
Ideologie statt Analyse
Während diese Erkenntnis in den Ländern des globalen Südens als Allgemeinwissen gelten darf, haben wir es in Deutschland noch immer mit einem sehr unterentwickelten Verständnis von Staatsverschuldung zu tun. Das liegt unter anderem daran, dass die Thematik der Staatsverschuldung (und der Verschuldung allgemein) in Deutschland sehr stark ideologisch aufgeladen ist (Schui 2014). Die realen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge werden damit verschleiert und mystifiziert.
Staatsverschuldung in Hamburg
Mit unserem Forschungsprojekt „Ein Schuldenaudit für Hamburg“ möchten wir die Staatsverschuldung der Stadt Hamburg auf ihre Ursachen und ihre Wirkung hin untersuchen und damit dazu beitragen, Licht ins Dunkel zu bringen. Wir wollen untersuchen, in welchem Zusammenhang und zu welchen Konditionen Staatsschulden aufgenommen wurden und welche sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen eine Schuldentilgung haben würde. Dafür bedienen wir uns des Konzepts der illegitimen Schulden und der Methodik des Schuldenaudits. Die theoretische Fundierung des Forschungsprojekts basiert auf einem heterodoxen (keynesianistischen und postmarxistischen) Ansatz.
Illegitime Schulden: Analyse statt Moral
Das Konzept der illegitimen Schulden wurde erstmals 1898 von den USA angewendet, um die Schulden des von ihnen besetzten Kuba zu annullieren. Es ist ein völkerrechtlich noch nicht verankerter, aber mehrfach praktizierter Grundsatz, nach dem alle Schulden eines Staates, die nicht zum Wohle der betreffenden Bevölkerung aufgenommen wurden oder an deren Zustandekommen das Volk des Landes oder dessen gewählte Vertreter nicht beteiligt gewesen sind, als nicht rechtmäßig anzusehen und folglich zu annullieren sind (Howse 2007, S. 9). Das Schuldenaudit ist ein demokratisches Instrument, um die moralisch-ideologisch aufgeladen Schulden auf ihre irdischen Ursprünge (siehe bspw. HSH-Nordbank und Cum-Ex) zurückzuführen und damit zum Gegenstand der gesellschaftlichen Diskussion zu machen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wollen wir daher folgenden Fragen nachgehen:
- Welche der Schulden der Stadt Hamburg, die im Untersuchungszeitraum von 2000 bis 2020 aufgenommen wurden sind als illegitim aufzufassen?
- Wofür, bzw. in welchem Zusammenhang wurden die Staatschulden aufgenommen?
Studentische Forschungsgruppe
- Lene Greve
- Paula Herrschel
- Svenja Horn
- Ida Rockenbach
- Henri Weber
Mentor
- Prof. Dr. Arne Heise